Ohne Digitalisierung wird sich in Zukunft eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung nicht mehr durchführen lassen. Doch der Weg ist lang und steinig. Er führt von den jeweils richtigen Daten am richtigen Ort bis zur personalisierten Präzisionsmedizin, hieß es am Montag beim Digital Health Symposium als Vorveranstaltung der Praevenire Gesundheitstage in Seitenstetten (18. bis 20. Mai).
Ein offenbar erfolgreiches Projekt stellte Gunda Gittler, Leiterin der Anstaltsapotheke des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Linz, vor. „Wir sind das erste österreichische Krankenhaus, das die gesamte Medikation für jeden einzelnen Patienten verblistert und auf die Stationen bringt“, sagte sie. Seit 2004 gebe es bereits die „elektronische Fieberkurve“ mit der gesamten Patientendokumentation. Die Verordnung der Arzneimittel auf deren Basis erfolge elektronisch unter Mitwirkung klinisch tätiger Krankenhausapotheker.
Dann werden die Medikamente für jeden einzelnen Patienten im „Multi Dose“-Verfahren durch Automaten verpackt. Die Patientinnen und Patienten erhalten damit zu jedem vorhergesehenen Einnahmezeitpunkt die Tabletten etc., die zusammengehören. Das System ist vierfach gegen Fehler abgesichert. Versorgt werden die einzelnen Stationen des Krankenhauses mit rund 200 Betten sowie rund 2.200 Pflegeheimbewohner. „Wir verblistern sogar geteilte Tabletten“, sagte Gittler. „Pro Monat werden auf diese Weise rund 500.000 Tabletten in 250.000 Blistersäckchen ausgeliefert. Die Fehlerquote beträgt 0,04 Prozent.“
Das sei sozusagen das „Krankenhaus 4.0“, sagte die Krankenhausapothekerin. Für die Patienten stehe bei dem System die Sicherheit vor Verwechslungen, Dosierungsfehlern etc. im Vordergrund. Auf der anderen Seite erlaubt das Verfahren ein durchgängiges Arzneimittelmanagement von der Bestellung bis zum Verbrauch. Auch das Pflegepersonal wird dadurch entlastet, weil das „Einschachteln“ von Medikamenten entfällt.
„Wir verblistern für einzelne Patienten sogar auch für zu Hause“, sagte Gunda Gittler. Von verschiedensten Elektronikunternehmen werden bereits kleine Geräte auf den Markt gebracht, welche die damit Versorgten an die Einnahme von Arzneimitteln erinnern, die richtige Einzeldosis bereitstellen und die Abgabe dokumentieren.
Vor genau 20 Jahren – im Sommer des Jahres 2000 – wurden in Deutschland die ersten Blister mit patientenindividueller Medikation hergestellt. Gestartet mit idealistischen Ideen zur besseren Versorgung von Patienten, die prinzipiell von jeder Apotheke angeboten werden kann, hat sich die Verblisterung heute zu einem spezialisierten und differenzierten Geschäftsmodell entwickelt. Während der Blister anfangs lediglich sicherte, die einzelnen Tabletten zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen, kann der Blister heute garantieren, dass der Patient softwareunterstützt seine richtigen Arzneimittel in der richtigen Zusammenstellung aus der Apotheke erhält. Ein großer Sprung? Der nachfolgende Beitrag aus der DAZ vom Sommer 2020 stellt die Meilensteine des Verblisterns von Arzneimitteln heraus und zeigt den Mehrwert auf, den die Apotheke den Patienten und den zu versorgenden Heimen damit bieten kann.
Berlin, Regensburg und Bayreuth waren die ersten Stationen des Kartenblisters – bereits unterstützt durch erste Blister-Module der Softwarehäuser. Deren Weiterentwicklung wurde jedoch ein Jahr später, im Mai 2001, jäh beendet durch das Verdikt der ABDA, dass „der Blister vom Tisch“ solle. Eine offizielle Begründung dazu wurde nie bekannt. In der unmittelbaren Folge wurde der Vertrieb dieser Blisterprogramme praktisch verboten und die Software nur noch unter dem Tisch gehandelt; die Blisterverkäufe stagnierten schon kurz nach dem Start.
Bis heute hat sich nichts Wesentliches geändert an der Haltung der ABDA zum Thema Verblisterung (DAZ-31-2020, S. 71), während die Software für die patientenindividuelle Verblisterung gewaltig auf- und ausgebaut wurden, sogar so weit, dass z. B. Arzt und Heim ebenfalls partizipieren können. Ebenso gibt es seit vielen Jahren vollautomatische Verblisterungsanlagen, und in deren Gefolge gründeten sich die ersten Blisterzentren. Somit kommt man zu dem Eindruck, dass Behörden und Politik – dem „Druck der Realität“ folgend – den § 34 ApBetrO (Patientenindividuelles Stellen oder Verblistern von Arzneimitteln) letztlich ohne die ABDA umsetzten.
Viel geredet und geforscht, und noch mehr geschrieben wurde über die Vor- und Nachteile der Verblisterung als Ausgangspunkt für eine Bereitstellung der individuellen Arzneimitteltherapie und daraus abgeleitet für eine bessere Adhärenz bei der Einnahme aller verordneter Medikamente (DAZ-31-2020, S. 58). Denn der Markt hat, trotz der einem Verbot gleichkommenden Haltung der ABDA, die Vorteile des Blisters längst aufgenommen.
WARUM EIGENTLICH VERBLISTERN?
Der patientenindividuelle Blister soll in erster Linie die Einnahme der vom Arzt verordneten und vom Apotheker geprüften Medikation garantieren. Der eigentliche Wert der Verblisterung liegt aber nicht primär im Blister selbst, sondern in der dahinter stehenden Information. Als Handwerkszeug dazu wurde bereits in den ersten Anfangsjahren der damalige Medikationsplan zentral positioniert: hier laufen alle Informationen für Arzt, Apotheke und Pflege zusammen.
Und weil die Apotheke alle Medikamente eines Patienten verblistern soll, müssen die Verschreibungen aller beteiligten Ärzte in einer Apotheke zusammenlaufen, und auch zusätzliche nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel können einbezogen werden. Software-unterstützt kann die gesamte Medikation, also alle Tabletten, Pulver und Tropfen eines jeden Patienten, individuell und sogar für tageszeitbezogene Rationen analysiert und somit Impulse für Verbesserungen gesetzt werden. Darüber hinaus ist der Patient über den Blister an die jeweilige Versorgungsapotheke gebunden. Eine (elektronische) Patientenakte dagegen wird weder die angesprochene komplette Information enthalten und noch weniger die Bindung an die lokale Apotheke gewährleisten können.
AKTUELLER MARKT
Aufgrund signifikanter Steigerungen in den letzten beiden Jahren kann davon ausgegangen werden, dass 20 Jahre nach den ersten Blistern bald 50 Prozent der deutschen Alten- und Pflegeheime von Apotheken patientenindividuell versorgt werden. Bereits Ende 2017 erfolgte das Zusammenstellen der Dauermedikation zu mehr als 44 Prozent von Apotheken und zu mehr als einem Drittel in Form von Blistern [1]. Und der Blister-Grad steigt stetig: Vor allem private Einrichtungen drängen zur Verblisterung, denn die Umstellung zum Blister eröffnet der Pflege mehr Zeiträume für die direkte Versorgung der Bewohner „an vorderster Front“, ausschlaggebend vor allem in Zeiten von Pflegenotstand und insbesondere von Corona.
Trotzdem stellt sich die Frage, warum für eine 50-prozentige Marktdurchdringung im Heim doch 20 Jahre nötig waren. Sicher sind Heime per se im positiven Sinne konservativ, und es bedarf wohl einer Pfleger(innen)-Generation, bis sich Neuerungen auch hier durchsetzen. Denn statt der Pflegekraft im Heim stellt beim Blistern die Apotheke die Arzneimittel, zum besseren Transport im verschlossenen Blister – das Ergebnis ist das gleiche! Trotzdem kommt es im Heim subjektiv zu einem Kontrollverlust, denn die Arzneimittel sind jetzt nicht mehr im Heim selbst, sondern in der Apotheke, und dies bedeutet einen erheblichen Mehraufwand, wenn es mal wieder schnell gehen muss. Die ebenfalls gerne zitierte schwindende „pharmazeutische Kompetenz“ des Heimpersonals, die mit dem Blister verloren gehen sollte, ist ebenfalls ein eher subjektives Moment: Das sog. Stellen im Heim ist eine herausgehobene Arbeit, die mit dem Blister nun unwiederbringlich wegfällt. Faktisch ist ein beschrifteter Blister auf jeden Fall einem unbeschrifteten Becher vorzuziehen, daher unterstützt der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) zwischenzeitlich den Blister auf breiter Front.
Apothekenseitig ist die Verblisterung nicht immer rentabel, vor allem für wenig differenzierte Betriebe. Zudem unterboten sich viele Jahre lang konkurrierende Apotheken bei anstehenden Heimbelieferungen bis hin zur roten Null. Erst das Antikorruptionsgesetz konnte jüngst viele Heime überzeugen, für die Kosten der Verblisterung in der Apotheke, für Material und Personal, eine teilweise Kompensation zu leisten. Aber die dafür oft ausgehandelten 1,50 bis 2,50 Euro sind in aller Regel nicht kostendeckend und schmälern den Ertrag aus den verblisterten Medikamenten.
Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Vergütung für den einzelnen Blister immer noch der entscheidende Knackpunkt ist [2]. Um hier Abhilfe zu schaffen, könnte als gemeinsam akzeptierte Basis für Preisverhandlungen die Untersuchung von Prof. Dr. Schmid dienen, der für eine Preisfindung Vergleichswerte aus ambulanten Pflegediensten zusammengestellt und analysiert hat (DAZ-31-2020, S. 65).
Auch die Ablehnung des Blisterns innerhalb der apothekerlichen Standesvertretung hatte bisher eine Kostenkompensation durch die Sozialträger unmöglich gemacht: Die Kassen verweisen darauf, dass sie ohne eine Standortbestimmung der verfassten Apothekerschaft keine eigenen Festlegungen treffen könnten. Daran konnten auch mehrere u. a. AOK-unterstützte Studien zur Verblisterung nicht viel ändern, ebenso wenig wie ein „Lex Kohl“ für die 100 Millionen-schwere Investition von Kohl-Pharma in eine Blistermaschine. Letztlich machten sowohl der DAV (wegen Kohl-Pharma?) als auch die Kassen nicht mit.
WER BIETET DAS VERBLISTERN AN?
Geblistert wird meist in kleingliedrigen Strukturen: Den ca. 2000 – 3000 kleineren/mittelgroßen Apotheken, die selbst maschinell oder manuell verblistern, stehen noch rund 20 Blisterzentren gegenüber, die Blister im Auftrag für Versorgungsapotheken herstellen. Sowohl Software-Anbieter als auch die Befragung von Prof. Dr. Schmid (2018) sprechen von 60 bis 70 Prozent Marktanteil für die maschinell hergestellte Blistertüte aus der Maschine, auch wenn manuelle Systeme zusätzlich entscheidende Vorteile für Apotheke und Heim bereithalten, bis hin zum Verblistern von Liquida [1].
Denn die lohnkostenintensive und personalabhängige Verblisterung wird gerne an Automaten delegiert, die überwiegende Anzahl der Blistermaschinen steht daher in Blisterzentren.
Gegen eine weiter zunehmende Zentralisierung sprechen allerdings die Erfahrungen, dass eine lokale Blisterfertigung in der Apotheke deutliche Vorteile aufweist: schneller, flexibler, effektiver, auch z. B. bei notwendigen Änderungen, die ohne Zeitverzug umgesetzt werden müssen. Entfernte Blisterzentren mit ausgedehntem Produktionsvorlauf und zwingenden Logistikintervallen müssen diese Zusatzarbeiten an die lokale Apotheke übertragen, wodurch sich die Vorteile des Blisterzentrums relativieren, oder schlicht dem Heim überlassen, was immer wieder zu Friktionen führt. Nach mehreren Jahren Erfahrung mit maschineller Blisterherstellung schicken sich die Großen der Branche an, die systemimmanenten Besonderheiten der Blistertüte aufzuarbeiten und besser zu adaptieren (DAZ-31-2020, S. 68).
Erst die Ausgliederung in spezialisierte Abteilungen mit dezidiert zugeschnittenen Prozessen kann die Verblisterung in rentable Regionen führen, sofern das Volumen an wöchentlichen Blistern ausreichend zustande kommt. Wichtig dabei ist, dass auch ein großes Blisterzentrum mit ca. 15.000 Blistern/Woche noch lange keine dominierende Stellung bei den nahezu 400.000 verteilten Wochenblistern in Deutschland hat.
Viel wichtiger ist die Feststellung, dass sich Teile des pharmazeutischen Großhandels (z. B. Noweda und Phoenix) aktiv dem Blister zugewandt haben: von der packungsbasierten Distribution zu individuell zusammengestellten Tabletten-Rationen für den einzelnen Patienten. In anderen Teilen der Welt wird bereits noch weiter gedacht: Das Prinzip „compliance follows convenience“ war wohl beim Kauf von PillPack durch Amazon im Hintergrund präsent. Denn diese neue Form der Präsentation für einzunehmende Dauermedikation wird z. B. für HIV-Patienten als attraktiv bewertet – in den USA steht der Name PillPack seit Jahren dafür. In der Pflege zielt ein solches Angebot insbesondere auf das brachliegende, aber größte Marktsegment: der durch Angehörige zu Hause versorgte Patient (siehe Tab.). Amazons Ausgaben von ca. 750 Mio. US-Dollar für PillPack belegen überdeutlich, dass dieser Versorgungsform enorme Zukunftschancen eingeräumt werden.
Noch fehlt uns in Deutschland dazu die geeignete Form der Abrechnung für den Blister. Wenn wir aber sehen, dass teilweise unsere europäischen Nachbarn bereits diese Blisterverpackungen als Nachweis der Medikamenten-Abgabe im Heim scannen, ist der Schritt dazu, diesen Scan auch für eine Bezahlung der eingenommenen Pillen durch die Kasse verwenden zu wollen, nicht mehr allzu weit.
DAS MARKTPOTENZIAL
Der Blick auf weitere mögliche Verwender des Blisters eröffnet noch beträchtliche Wachstumsreserven: Von 3,4 Mio. Pflegebedürftigen in Deutschland (Destatis, Stand 2019) werden aktuell lediglich ca. 0,4 Mio. Bewohner von Alten- und Pflegeheimen mit verblisterter Dauermedikation versorgt. Auch wenn nicht alle Pflegebedürftige verblisterte Medikamente benötigen, ist das Marktpotenzial aus der dargestellten Relation enorm (siehe Tab.). Besonders Pflegedienste können vom Blister aus der Apotheke profitieren, denn die Zusammenstellung der Medikation ist zeitintensiv und fehleranfällig; genau hier kann die Apotheke ihre Unterstützung anbieten sowohl im praktischen Bereich der Blisterherstellung als auch im Bereich der Geriatrischen Pharmazie.
Problematisch ist allerdings, dass eine Zusammenarbeit zwischen Pflegedienst und Apotheke bisher nicht geregelt ist: 2002 wurde eine diametrale Wende in der Zusammenarbeit zwischen Heim und Apotheke eingeführt mit den Regelungen zum Heimversorgungsvertrag gemäß § 12a Apothekengesetz. Und wir sehen heute die vertragliche und (meist) problemlose Kooperation mit Verpflichtungen auf beiden Seiten als großen Erfolg. Eine analoge Regelung für den Pflegedienst, wobei auch mehrere Apotheken involviert sein könnten, steht jedoch noch aus. Seit über 20 Jahren gibt es auch ein paar wenige Blisterautomaten in Krankenhäusern, deren Zahl sich langsam entwickelt. Es zeigt sich, dass große, zentral platzierte Maschinen in der Akutversorgung zwingend neue Prozessabläufe benötigen und gelebte Abläufe im Medikamentenverteilprozess eher weniger unterstützt werden. Heutige Abläufe würden dezentrale Strukturen mit kleinen Maschinen auf den Stationen bevorzugen.
FAZIT UND AUSBLICK
Erstaunlicherweise hat die Apothekerschaft die seit 20 Jahren propagierten Vorteile des Medikationsplans und des daraus hergestellten Blisters nie hinreichend betrachtet – oder anderen Interessen untergeordnet? Warum ist heute der Arzt der aktuelle „Hüter“ des Medikationplans, welcher dessen Erstellung/Führung sogar bezahlt bekommt, obwohl der einzelne Arzt in den allermeisten Fällen nur seine, d. h. durch seine Praxis verordneten Medikamente darin aufnimmt. Gemessen an inneren Verteilungskämpfen und Budgetwertdiskussionen haben die Ärzte wohl kein Interesse daran, überhaupt einen Medikationsplan für den Patienten zu führen, der diesen Namen verdient. Es sei die Frage gestellt, wer denn einen kompletten Medikationsplan aufstellen und verwalten kann analog einer Blister-Apotheke, welche zwingenderweise die Rezepte aller Ärzte und verschreibungsfreien OTCs zusammenführt? Die bisher bekannten Funktionen der elektronischen Patientenakte werden dieselbe Übersicht nicht generieren können. Daher ist es nicht einsichtig, warum die Apothekerschaft diese Chance nicht effektiv genutzt hat oder bisher nutzen wollte, zum tatsächlichen „Hüter“ des Medikationsplans – auch später in seiner elektronischen Form – anerkannt zu werden. Aber dies impliziert, dass die Apotheker Verantwortung übernehmen wollen, die nur sie aufgrund ihrer pharmazeutischen Ausbildung und Kompetenz schultern können. Der Blister ist auch ein Werkzeug, um in die Lage zu kommen, diese apothekeneigene Kompetenz umsetzen zu können. |
Literatur
[1] Schmid T, Schraut V, Prestel P. Zwei Drittel stellen, ein Drittel lässt verblistern – Kriterien der Pflegeheime bei der Entscheidung für „Stellen“ oder „Verblistern“. DAZ-15-2018, S. 52
[2] Niecamp, C. (2019) Blistern in der Praxis, in: Apotheke + Marketing 3, 26-27
Kürzlich wurde ich gefragt, was denn der entscheidende Unterschied wäre zwischen einem patientenindividuellen Schlauchblister-Streifen aus einem Blisterzentrum und dem entsprechenden Blisterstreifen aus der Apotheke. Wir müssen dazu ein wenig ausholen:
Der Blister aus dem Blisterzentrum wird per definitionem einem Ferigarzneimittel gleichgestellt, ist damit aber nicht selbst ein Fertigarzneimittel: Fertigarzneimittel unterliegen einer Prüfung im Rahmen der Zulassung, ein Blister hingegen benötigt keine Zulassung, wenn er nach §21 AMG aus Fertigarzneimitteln hergestellt wird. Während das Blisterzentrum als (Lohn-)Hersteller fungiert, ist die Apotheke gleichsam der pharmazeutische Unternehmer, der den Blister in Auftrag gibt und ihn anschließend in Verkehr bringt.
Die einem Blisterzenrum unterliegende Herstellerlaubnis nach §13 AMG fordert eine gesicherte und geprüfte Herstellqualität nach einem QM-System, das die Transparenz der Abläufe gewährleisten, die Beherrschbarkeit der Prozesse garantieren, die Zuverlässigkeit der Prüfergebnisse sicherstellen und die Arbeitsweise von Blisterzentren mindestens auf nationaler Ebene vergleichbar gestalten muss. „Die Regelung der Herstellungserlaubnisse gewährleistet, dass alle für den europäischen Markt zugelassenen Produkte nur von autorisierten Herstellern hergestellt werden, deren Tätigkeiten regelmäßig durch die zuständigen Behörden überprüft werden.“ Dieser Satz aus der Einleitung zum EU-GMP Leitfaden gilt als verpflichtende Grundlage, dass alle Blisterzentren nach GMP-Vorgaben verfahren MÜSSEN.
Der Blister, hergestellt in der Apotheke, ist per definitionem eine Auftragsleistung oder eine Rezeptur. Als solche unterliegt die Herstellung prinzipiell NICHT der GMP-Richtlinie 2001/83/EG vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (GMP-Richtlinie), denn im Titel 2 („Anwendungsgebiet“), Artikel 3, heißt es: Diese Richtlinie gilt nicht für (1) Arzneimittel, die in einer Apotheke nach ärztlicher Verschreibung für einen bestimmten Patienten zubereitet werden (sog. formula magistralis)… Dieses NICHT-Unterliegen bedeutet dann auch, dass Apotheken innerhalb der Rezeptur-Herstellung auch halbe Tabletten verarbeiten dürfen. Unter GMP-Vorgaben wäre dies kaum möglich, da z.B. geteilte halbe Tabletten eben meist NICHT exakt die halbe Wirkstärke aufweisen (welche ja aufgedruckt wird mit z.B. „0,5 mg“).
Was bedeutet dies nun in der Praxis:
Der Blister aus dem Blisterzentrum bedingt keine strenge Identitätsprüfung: der abgebende Apotheker darf wie die Pflegekraft oder der Verbraucher davon ausgehen, dass die QM-Maßnahmen des Blisterzentrums für Qualität und Inhalt stehen. Der Patienten-individuelle Blister wird einem Original-Arzneimittel gleichgestellt: auch hier verläßt sich der Apotheker wie der Verbraucher auf die Angaben auf der Packung.
Der Blister aus der Apotheke (manuelle oder automatische Herstellung) ist eine Auftragsherstellung und muss vom Auftraggeber bei der Übernahme der Auftragsleistung grundsätzlich überprüft werden: zwar wird das Heim/der Verbraucher keine Identitätsprüfung durchführen (können), trotzdem kann im Haftungsfalle der Nachweis der Prüfung auf nachvollziehbare Parameter (Anzahl, Form/Farbe, usw.) beim Blister gefordert werden. Wie und in welchem Umfange diese Prüfung stattzufinden hat, wird vom QM-System des empfangenden Heimes festgelegt werden müssen, das der Aufsichtspflicht von Heimaufsicht und MDK unterstellt ist.
So wird ein Blister aus dem Blisterzentrum und einer Apotheke, auch wenn er möglicherweise mit demselben Automaten und unter identischen Qualitätsvorgaben hergestellt wurde, doch unterschiedlich bewertet werden: den Blister aus dem Blisterzentrum wird das Heim direkt übernehmen, während der Blister aus der Apotheke prinzipiell geprüft werden muss.
Ein solches Verlangen ist nachvollziehbar: Blisterzentren unterwerfen ihre Blister meist einer aufwendigen optischen Identifizierung mittels Durchlicht-Messungen, und so kann im Zweifelsfalle jeder einzelne Blister auch im nachhinein nochmals geprüft und vermessen werden.
Noch einmal zu Dr. Herzog, der kürzlich die Frage „Wann rechnet sich wirtschaftlich der Einstieg“, in seinem Artikel in der „Heimversorgung“ diskutiert[1]. Im beiliegenden Excel-Sheet sind auch einige Berechnungen zum Thema „Automat“ eingepflegt; die Investitionsrechnung Verblisterung ergibt recht eindrucksvolle Relationen:
Die Zahlen zur Gerätebeschaffung sind Standard-Zahlen ohne Berücksichtigung von Rabatten (oder die Möglichkeit von Gebrauchtgeräten in Betracht zu ziehen); die Umbaukosten gemäß den neuen Anforderungen der ApoBetrO sind sicherlich in einem weiter Streufeld zu sehen, je nach Vorausstattung der Apotheke/des Verblisterungs-raumes.
Auch wenn ich die Anzahl von Personalstunden pro 1000 Blister als niedrig und erst mit Erreichen eines ’steady state‘ als realistisch ansehe: die Verdreifachung der vorgesehenen Arbeitsstunden bringt im vorliegenden Modell lediglich eine Erhöhung von 6% der Gesamtkosten pro Blister.
Dies erklärt teilweise auch, dass am eigenen Automaten die halben Tabletten, welche manuell über Trays vorgestellt werden müssen, die Gesamt-Rentabilität weniger „stören“, solange die Gesamtzahl der gefertigten Blister hoch genug ist.
Werden allerdings die Zahlen zur Auslastung verändert, treten die Änderungen deutlich zu Tage: werden statt (geplanter) 50.000 Blister nur 40.000 gefertigt, so steigen die Kosten für einen Wochenblister um ca. 24%, d.h. im vorliegenden Falle sogar überproportional an!
Daher die Aussage: der Blisterautomat lohnt sich erst an der Auslastungsgrenze, und dies liegt in der Regel bei ca. 1200-1800 Patienten, je nach Automat, Laufzeit und Reinigungsvorgaben. Interessant sind dann auch die berechneten Kosten/Blister an der Auslastungsgrenze!
Mit den vorgegebenen Zahlen (CAVE bei den Personalstunden!) rechnet sich der Automaten-Blister bereits bei rund 600 Heimbewohnern – allerdings nur im Vergleich zum manuellen Stellen von ca. 4 – 5 EUR/Blister/Woche! Blisterzentren verlangen dagegen ca. 3,50 EUR – hier müssen wir aber genau aufschlüsseln, welche Arbeiten wie und wo anfallen: so einfach lassen sich die Zahlen nicht vergleichen (dazu mehr in den Schulungen).
Die Frage „Wann rechnet sich wirtschaftlich der Einstieg“ wurde kürzlich von Dr. Herzog, Tübingen, in seinem Artikel in der „Heimversorgung“ erneut berechnet und diskutiert[1]. Um es vorwegzunehmen, die Frage wurde so nicht beantwortet, aber es wurden ein paar sehr interessante Einzelfakten aufgeführt bzw. Erfahrungen aus anderen Erhebungen be-stätigt.
Schon die prinzipielle Frage „patientenindividuelle Belieferung oder klassische Lieferung von Fertigpackungen?“ wurde lediglich rhetorisch gestellt; man darf jedoch aus der Einführung ableiten, dass es darum gar nicht mehr geht. Denn immer mehr Heime gehen dazu über, die Verblisterung als Standard einzufordern, wenn ein neuer/erneuerter Heimversorgungsvertrag zustande kommt.
Leider lassen sich die Zahlen mit eigenen Erhebungen nur schlecht vergleichen: Dr. Herzog zielt auf die Anzahl verordneter „Aufträge“ ab, wohl die Anzahl verordneter Einzelpräparate. Das ist zwar für die Umsatz-Berechnung innerhalb der Apotheke sinnvoll; in der Regel wird jedoch der Umsatz und die Kosten an der Anzahl von versorgten Heimbewohnerplätzen definiert. Über den Umsatz wurde nun für den Vergleich mit 185 Heimplätzen weitergerechnet.
Aus den beigefügten Zahlen zu „Stellen“ will ich herausgreifen: Das „Stellen“ für einen Patienten benötigt nach seiner Vorgabe 9,73 min/Woche und Bewohner. Ob hier auch Rezept- und Medikationsmanagement eingerechnet sind, kann ich nicht erkennen.
Daraus ergeben sich Personalkosten von ca. 3,25 EUR/Bewohner und Woche – allein für das Stellen! Auslieferungen und Begehungen durch den Apotheker plus sonstige Kosten schlagen hier nochmals mit ca. 22% der Personalkosten auf, ergäbe dann ca. 3,95 EUR/Bewohner und Woche. Damit liegt Dr. Herzog sehr nahe bei veröffentlich-ten Werten zu Personalkosten beim manuellen Verblistern [2].
Berücksichtigt man die Einrichtungs- und laufenden Kosten für die Blisterkarten von mind. 1 EUR/Bewohner und Woche, so kommt der manuell hergestellte Wochenblis-ter auf Gesamtkosten pro Bewohner und Woche von rund 5 EUR.
Meiner Erfahrung nach sind dies gute Durchschnittszahlen: sicherlich lässt sich durch gute Organisation ca. 10% an Arbeitszeit einsparen, aber dann kostet der Blister immer noch 4,70 EUR.