Ohne Digitalisierung wird sich in Zukunft eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung nicht mehr durchführen lassen. Doch der Weg ist lang und steinig. Er führt von den jeweils richtigen Daten am richtigen Ort bis zur personalisierten Präzisionsmedizin, hieß es am Montag beim Digital Health Symposium als Vorveranstaltung der Praevenire Gesundheitstage in Seitenstetten (18. bis 20. Mai).
Ein offenbar erfolgreiches Projekt stellte Gunda Gittler, Leiterin der Anstaltsapotheke des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Linz, vor. „Wir sind das erste österreichische Krankenhaus, das die gesamte Medikation für jeden einzelnen Patienten verblistert und auf die Stationen bringt“, sagte sie. Seit 2004 gebe es bereits die „elektronische Fieberkurve“ mit der gesamten Patientendokumentation. Die Verordnung der Arzneimittel auf deren Basis erfolge elektronisch unter Mitwirkung klinisch tätiger Krankenhausapotheker.
Dann werden die Medikamente für jeden einzelnen Patienten im „Multi Dose“-Verfahren durch Automaten verpackt. Die Patientinnen und Patienten erhalten damit zu jedem vorhergesehenen Einnahmezeitpunkt die Tabletten etc., die zusammengehören. Das System ist vierfach gegen Fehler abgesichert. Versorgt werden die einzelnen Stationen des Krankenhauses mit rund 200 Betten sowie rund 2.200 Pflegeheimbewohner. „Wir verblistern sogar geteilte Tabletten“, sagte Gittler. „Pro Monat werden auf diese Weise rund 500.000 Tabletten in 250.000 Blistersäckchen ausgeliefert. Die Fehlerquote beträgt 0,04 Prozent.“
Das sei sozusagen das „Krankenhaus 4.0“, sagte die Krankenhausapothekerin. Für die Patienten stehe bei dem System die Sicherheit vor Verwechslungen, Dosierungsfehlern etc. im Vordergrund. Auf der anderen Seite erlaubt das Verfahren ein durchgängiges Arzneimittelmanagement von der Bestellung bis zum Verbrauch. Auch das Pflegepersonal wird dadurch entlastet, weil das „Einschachteln“ von Medikamenten entfällt.
„Wir verblistern für einzelne Patienten sogar auch für zu Hause“, sagte Gunda Gittler. Von verschiedensten Elektronikunternehmen werden bereits kleine Geräte auf den Markt gebracht, welche die damit Versorgten an die Einnahme von Arzneimitteln erinnern, die richtige Einzeldosis bereitstellen und die Abgabe dokumentieren.
Vor genau 20 Jahren – im Sommer des Jahres 2000 – wurden in Deutschland die ersten Blister mit patientenindividueller Medikation hergestellt. Gestartet mit idealistischen Ideen zur besseren Versorgung von Patienten, die prinzipiell von jeder Apotheke angeboten werden kann, hat sich die Verblisterung heute zu einem spezialisierten und differenzierten Geschäftsmodell entwickelt. Während der Blister anfangs lediglich sicherte, die einzelnen Tabletten zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen, kann der Blister heute garantieren, dass der Patient softwareunterstützt seine richtigen Arzneimittel in der richtigen Zusammenstellung aus der Apotheke erhält. Ein großer Sprung? Der nachfolgende Beitrag aus der DAZ vom Sommer 2020 stellt die Meilensteine des Verblisterns von Arzneimitteln heraus und zeigt den Mehrwert auf, den die Apotheke den Patienten und den zu versorgenden Heimen damit bieten kann.
Berlin, Regensburg und Bayreuth waren die ersten Stationen des Kartenblisters – bereits unterstützt durch erste Blister-Module der Softwarehäuser. Deren Weiterentwicklung wurde jedoch ein Jahr später, im Mai 2001, jäh beendet durch das Verdikt der ABDA, dass „der Blister vom Tisch“ solle. Eine offizielle Begründung dazu wurde nie bekannt. In der unmittelbaren Folge wurde der Vertrieb dieser Blisterprogramme praktisch verboten und die Software nur noch unter dem Tisch gehandelt; die Blisterverkäufe stagnierten schon kurz nach dem Start.
Bis heute hat sich nichts Wesentliches geändert an der Haltung der ABDA zum Thema Verblisterung (DAZ-31-2020, S. 71), während die Software für die patientenindividuelle Verblisterung gewaltig auf- und ausgebaut wurden, sogar so weit, dass z. B. Arzt und Heim ebenfalls partizipieren können. Ebenso gibt es seit vielen Jahren vollautomatische Verblisterungsanlagen, und in deren Gefolge gründeten sich die ersten Blisterzentren. Somit kommt man zu dem Eindruck, dass Behörden und Politik – dem „Druck der Realität“ folgend – den § 34 ApBetrO (Patientenindividuelles Stellen oder Verblistern von Arzneimitteln) letztlich ohne die ABDA umsetzten.
Viel geredet und geforscht, und noch mehr geschrieben wurde über die Vor- und Nachteile der Verblisterung als Ausgangspunkt für eine Bereitstellung der individuellen Arzneimitteltherapie und daraus abgeleitet für eine bessere Adhärenz bei der Einnahme aller verordneter Medikamente (DAZ-31-2020, S. 58). Denn der Markt hat, trotz der einem Verbot gleichkommenden Haltung der ABDA, die Vorteile des Blisters längst aufgenommen.
WARUM EIGENTLICH VERBLISTERN?
Der patientenindividuelle Blister soll in erster Linie die Einnahme der vom Arzt verordneten und vom Apotheker geprüften Medikation garantieren. Der eigentliche Wert der Verblisterung liegt aber nicht primär im Blister selbst, sondern in der dahinter stehenden Information. Als Handwerkszeug dazu wurde bereits in den ersten Anfangsjahren der damalige Medikationsplan zentral positioniert: hier laufen alle Informationen für Arzt, Apotheke und Pflege zusammen.
Und weil die Apotheke alle Medikamente eines Patienten verblistern soll, müssen die Verschreibungen aller beteiligten Ärzte in einer Apotheke zusammenlaufen, und auch zusätzliche nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel können einbezogen werden. Software-unterstützt kann die gesamte Medikation, also alle Tabletten, Pulver und Tropfen eines jeden Patienten, individuell und sogar für tageszeitbezogene Rationen analysiert und somit Impulse für Verbesserungen gesetzt werden. Darüber hinaus ist der Patient über den Blister an die jeweilige Versorgungsapotheke gebunden. Eine (elektronische) Patientenakte dagegen wird weder die angesprochene komplette Information enthalten und noch weniger die Bindung an die lokale Apotheke gewährleisten können.
AKTUELLER MARKT
Aufgrund signifikanter Steigerungen in den letzten beiden Jahren kann davon ausgegangen werden, dass 20 Jahre nach den ersten Blistern bald 50 Prozent der deutschen Alten- und Pflegeheime von Apotheken patientenindividuell versorgt werden. Bereits Ende 2017 erfolgte das Zusammenstellen der Dauermedikation zu mehr als 44 Prozent von Apotheken und zu mehr als einem Drittel in Form von Blistern [1]. Und der Blister-Grad steigt stetig: Vor allem private Einrichtungen drängen zur Verblisterung, denn die Umstellung zum Blister eröffnet der Pflege mehr Zeiträume für die direkte Versorgung der Bewohner „an vorderster Front“, ausschlaggebend vor allem in Zeiten von Pflegenotstand und insbesondere von Corona.
Trotzdem stellt sich die Frage, warum für eine 50-prozentige Marktdurchdringung im Heim doch 20 Jahre nötig waren. Sicher sind Heime per se im positiven Sinne konservativ, und es bedarf wohl einer Pfleger(innen)-Generation, bis sich Neuerungen auch hier durchsetzen. Denn statt der Pflegekraft im Heim stellt beim Blistern die Apotheke die Arzneimittel, zum besseren Transport im verschlossenen Blister – das Ergebnis ist das gleiche! Trotzdem kommt es im Heim subjektiv zu einem Kontrollverlust, denn die Arzneimittel sind jetzt nicht mehr im Heim selbst, sondern in der Apotheke, und dies bedeutet einen erheblichen Mehraufwand, wenn es mal wieder schnell gehen muss. Die ebenfalls gerne zitierte schwindende „pharmazeutische Kompetenz“ des Heimpersonals, die mit dem Blister verloren gehen sollte, ist ebenfalls ein eher subjektives Moment: Das sog. Stellen im Heim ist eine herausgehobene Arbeit, die mit dem Blister nun unwiederbringlich wegfällt. Faktisch ist ein beschrifteter Blister auf jeden Fall einem unbeschrifteten Becher vorzuziehen, daher unterstützt der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) zwischenzeitlich den Blister auf breiter Front.
Apothekenseitig ist die Verblisterung nicht immer rentabel, vor allem für wenig differenzierte Betriebe. Zudem unterboten sich viele Jahre lang konkurrierende Apotheken bei anstehenden Heimbelieferungen bis hin zur roten Null. Erst das Antikorruptionsgesetz konnte jüngst viele Heime überzeugen, für die Kosten der Verblisterung in der Apotheke, für Material und Personal, eine teilweise Kompensation zu leisten. Aber die dafür oft ausgehandelten 1,50 bis 2,50 Euro sind in aller Regel nicht kostendeckend und schmälern den Ertrag aus den verblisterten Medikamenten.
Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Vergütung für den einzelnen Blister immer noch der entscheidende Knackpunkt ist [2]. Um hier Abhilfe zu schaffen, könnte als gemeinsam akzeptierte Basis für Preisverhandlungen die Untersuchung von Prof. Dr. Schmid dienen, der für eine Preisfindung Vergleichswerte aus ambulanten Pflegediensten zusammengestellt und analysiert hat (DAZ-31-2020, S. 65).
Auch die Ablehnung des Blisterns innerhalb der apothekerlichen Standesvertretung hatte bisher eine Kostenkompensation durch die Sozialträger unmöglich gemacht: Die Kassen verweisen darauf, dass sie ohne eine Standortbestimmung der verfassten Apothekerschaft keine eigenen Festlegungen treffen könnten. Daran konnten auch mehrere u. a. AOK-unterstützte Studien zur Verblisterung nicht viel ändern, ebenso wenig wie ein „Lex Kohl“ für die 100 Millionen-schwere Investition von Kohl-Pharma in eine Blistermaschine. Letztlich machten sowohl der DAV (wegen Kohl-Pharma?) als auch die Kassen nicht mit.
WER BIETET DAS VERBLISTERN AN?
Geblistert wird meist in kleingliedrigen Strukturen: Den ca. 2000 – 3000 kleineren/mittelgroßen Apotheken, die selbst maschinell oder manuell verblistern, stehen noch rund 20 Blisterzentren gegenüber, die Blister im Auftrag für Versorgungsapotheken herstellen. Sowohl Software-Anbieter als auch die Befragung von Prof. Dr. Schmid (2018) sprechen von 60 bis 70 Prozent Marktanteil für die maschinell hergestellte Blistertüte aus der Maschine, auch wenn manuelle Systeme zusätzlich entscheidende Vorteile für Apotheke und Heim bereithalten, bis hin zum Verblistern von Liquida [1].
Denn die lohnkostenintensive und personalabhängige Verblisterung wird gerne an Automaten delegiert, die überwiegende Anzahl der Blistermaschinen steht daher in Blisterzentren.
Gegen eine weiter zunehmende Zentralisierung sprechen allerdings die Erfahrungen, dass eine lokale Blisterfertigung in der Apotheke deutliche Vorteile aufweist: schneller, flexibler, effektiver, auch z. B. bei notwendigen Änderungen, die ohne Zeitverzug umgesetzt werden müssen. Entfernte Blisterzentren mit ausgedehntem Produktionsvorlauf und zwingenden Logistikintervallen müssen diese Zusatzarbeiten an die lokale Apotheke übertragen, wodurch sich die Vorteile des Blisterzentrums relativieren, oder schlicht dem Heim überlassen, was immer wieder zu Friktionen führt. Nach mehreren Jahren Erfahrung mit maschineller Blisterherstellung schicken sich die Großen der Branche an, die systemimmanenten Besonderheiten der Blistertüte aufzuarbeiten und besser zu adaptieren (DAZ-31-2020, S. 68).
Erst die Ausgliederung in spezialisierte Abteilungen mit dezidiert zugeschnittenen Prozessen kann die Verblisterung in rentable Regionen führen, sofern das Volumen an wöchentlichen Blistern ausreichend zustande kommt. Wichtig dabei ist, dass auch ein großes Blisterzentrum mit ca. 15.000 Blistern/Woche noch lange keine dominierende Stellung bei den nahezu 400.000 verteilten Wochenblistern in Deutschland hat.
Viel wichtiger ist die Feststellung, dass sich Teile des pharmazeutischen Großhandels (z. B. Noweda und Phoenix) aktiv dem Blister zugewandt haben: von der packungsbasierten Distribution zu individuell zusammengestellten Tabletten-Rationen für den einzelnen Patienten. In anderen Teilen der Welt wird bereits noch weiter gedacht: Das Prinzip „compliance follows convenience“ war wohl beim Kauf von PillPack durch Amazon im Hintergrund präsent. Denn diese neue Form der Präsentation für einzunehmende Dauermedikation wird z. B. für HIV-Patienten als attraktiv bewertet – in den USA steht der Name PillPack seit Jahren dafür. In der Pflege zielt ein solches Angebot insbesondere auf das brachliegende, aber größte Marktsegment: der durch Angehörige zu Hause versorgte Patient (siehe Tab.). Amazons Ausgaben von ca. 750 Mio. US-Dollar für PillPack belegen überdeutlich, dass dieser Versorgungsform enorme Zukunftschancen eingeräumt werden.
Noch fehlt uns in Deutschland dazu die geeignete Form der Abrechnung für den Blister. Wenn wir aber sehen, dass teilweise unsere europäischen Nachbarn bereits diese Blisterverpackungen als Nachweis der Medikamenten-Abgabe im Heim scannen, ist der Schritt dazu, diesen Scan auch für eine Bezahlung der eingenommenen Pillen durch die Kasse verwenden zu wollen, nicht mehr allzu weit.
DAS MARKTPOTENZIAL
Der Blick auf weitere mögliche Verwender des Blisters eröffnet noch beträchtliche Wachstumsreserven: Von 3,4 Mio. Pflegebedürftigen in Deutschland (Destatis, Stand 2019) werden aktuell lediglich ca. 0,4 Mio. Bewohner von Alten- und Pflegeheimen mit verblisterter Dauermedikation versorgt. Auch wenn nicht alle Pflegebedürftige verblisterte Medikamente benötigen, ist das Marktpotenzial aus der dargestellten Relation enorm (siehe Tab.). Besonders Pflegedienste können vom Blister aus der Apotheke profitieren, denn die Zusammenstellung der Medikation ist zeitintensiv und fehleranfällig; genau hier kann die Apotheke ihre Unterstützung anbieten sowohl im praktischen Bereich der Blisterherstellung als auch im Bereich der Geriatrischen Pharmazie.
Problematisch ist allerdings, dass eine Zusammenarbeit zwischen Pflegedienst und Apotheke bisher nicht geregelt ist: 2002 wurde eine diametrale Wende in der Zusammenarbeit zwischen Heim und Apotheke eingeführt mit den Regelungen zum Heimversorgungsvertrag gemäß § 12a Apothekengesetz. Und wir sehen heute die vertragliche und (meist) problemlose Kooperation mit Verpflichtungen auf beiden Seiten als großen Erfolg. Eine analoge Regelung für den Pflegedienst, wobei auch mehrere Apotheken involviert sein könnten, steht jedoch noch aus. Seit über 20 Jahren gibt es auch ein paar wenige Blisterautomaten in Krankenhäusern, deren Zahl sich langsam entwickelt. Es zeigt sich, dass große, zentral platzierte Maschinen in der Akutversorgung zwingend neue Prozessabläufe benötigen und gelebte Abläufe im Medikamentenverteilprozess eher weniger unterstützt werden. Heutige Abläufe würden dezentrale Strukturen mit kleinen Maschinen auf den Stationen bevorzugen.
FAZIT UND AUSBLICK
Erstaunlicherweise hat die Apothekerschaft die seit 20 Jahren propagierten Vorteile des Medikationsplans und des daraus hergestellten Blisters nie hinreichend betrachtet – oder anderen Interessen untergeordnet? Warum ist heute der Arzt der aktuelle „Hüter“ des Medikationplans, welcher dessen Erstellung/Führung sogar bezahlt bekommt, obwohl der einzelne Arzt in den allermeisten Fällen nur seine, d. h. durch seine Praxis verordneten Medikamente darin aufnimmt. Gemessen an inneren Verteilungskämpfen und Budgetwertdiskussionen haben die Ärzte wohl kein Interesse daran, überhaupt einen Medikationsplan für den Patienten zu führen, der diesen Namen verdient. Es sei die Frage gestellt, wer denn einen kompletten Medikationsplan aufstellen und verwalten kann analog einer Blister-Apotheke, welche zwingenderweise die Rezepte aller Ärzte und verschreibungsfreien OTCs zusammenführt? Die bisher bekannten Funktionen der elektronischen Patientenakte werden dieselbe Übersicht nicht generieren können. Daher ist es nicht einsichtig, warum die Apothekerschaft diese Chance nicht effektiv genutzt hat oder bisher nutzen wollte, zum tatsächlichen „Hüter“ des Medikationsplans – auch später in seiner elektronischen Form – anerkannt zu werden. Aber dies impliziert, dass die Apotheker Verantwortung übernehmen wollen, die nur sie aufgrund ihrer pharmazeutischen Ausbildung und Kompetenz schultern können. Der Blister ist auch ein Werkzeug, um in die Lage zu kommen, diese apothekeneigene Kompetenz umsetzen zu können. |
Literatur
[1] Schmid T, Schraut V, Prestel P. Zwei Drittel stellen, ein Drittel lässt verblistern – Kriterien der Pflegeheime bei der Entscheidung für „Stellen“ oder „Verblistern“. DAZ-15-2018, S. 52
[2] Niecamp, C. (2019) Blistern in der Praxis, in: Apotheke + Marketing 3, 26-27
Medikamente in Form von Tropfen oder Säften können von älteren Personen manchmal besser eingenommen werden als Tabletten. Es besteht seit langem der Wunsch, auch Liquidaim Blister in Form einer Tageszeit-Dosis erhalten zu können.Doch Tropfen und Säfte werden bisher nicht in großem Stile verblistert. Wir haben explizit nochmals nachgefragt: laut MDK Bayern vom 29.3.2018 ist die Verblisterung von Flüssigkeiten grundsätzlich zulässig, aber „Eine Vergleichbarkeit ist nicht gegeben.“ Was soviel heißt, dass flüssige Medikamente parallel verblistert werden können, wenn diese unterscheidbar sind.
Denn der MDK muss bei seiner jährlichen Prüfung die bereitgestellten Medikamente prüfen: „Die Gutachter müssen aufgrund der vorliegenden Informationen (ärztliche Verordnung, Daten der Apotheke: Chargenkennzeichnung, Angaben zum Medikament wie Form und Farbe … ) augenscheinlich entscheiden, ob die Medikamente entsprechend der ärztlichen Verordnung gerichtet und abgegeben werden. Dies gilt sowohl für feste als auch flüssige Medikamente.“ (MDK Bayern, 15. 10. 2018)
Gleich-aussehende Liquida im Blister kann der MDK vor Ort nur schwerlich unterscheiden. In der Tat sind flüssige Medikamente anhand von Form und Farbe nicht so einfach differenzierbar wie z.B. Kapseln und Tabletten. Denn oft sehen die wenigen Tropfen im Becher irgendwie alle gleich aus. Daher ist die Äußerung eines MDK-Auditors folgerichtig, der bei der Prüfung im Heim den Umgang mit Medikamenten negativ bewertet, wenn er gleich-artige oder gleich-aussehende flüssige Medikamente vorfindet. Seine einfache Begründung: er kann die Flüssigkeiten nicht differenzieren.
Während Lactulose zwar eindeutig von Novaminsulfonsäure unterschieden werden kann, ist die Unterscheidbarkeit von Melperon und Pipamperon nicht immer gegeben. Zudem: Schmerzmittel wie z.B. Novaminsulfonsäure sollten gemäß der Schmerzintensität variiert werden können, was ausgeschlossen wird, wenn dieses verblistert in immer der identischen Menge bereitgestellt werden.
Liquida verblistern als „Gesicherte Herstellung“ ??
Was ich hier bemerkenswert finde: der MDK-Prüfer lässt sich nicht beeindrucken von der Aussage einer „sicheren Herstellung in der Apotheke“. Der Prüfer besteht auf seiner eigenen MDK-Vorgabe, dass er als Auditor vor Ort selbst und ohne Hilfsmittel (= „augenscheinlich“) in der Lage sein muss, die Richtigkeit der gestellten Medikamente überprüfen zu können.
Spezielle Liquida-Blister erhältlich
Es gibt auch käuflich erhältlich Liquida-Blister, die jeweils nur ein definiertes Medikament enthalten.
die Rezept-Übermittlung für die Heimversorgung durch die verordnenden Ärzte sollte gestattet sein, wenn das Heim einen Versorgungsvertrag mit der Apotheke geschlossen hat und der Heimbewohner einer Versorgung durch die Versorgungsapotheke zugestimmt hat.
in der Ausgabe 04/2013 der „Heimversorgung“ wurde unter dem Titel „Dürfen Arzneimittel nur im Originalblister gestellt werden?“ folgende Aussage gemacht: „Eine weitere Problematik besteht teilweise in dem häufig ungeklärten Auftreten von Kreuzreaktionen, wenn mehrere unterschiedliche Tabletten zusammen in demselben Blisterbeutel (Multi-Dose) verpackt werden.“ (Beginn dritter Absatz).
Mir ist in 13 Jahren Verblisterung noch kein Beispiel dazu berichtet worden, wenn die ebenfalls angesprochenen Maßnahmen eingehalten werden (also keine Brausetabletten verblistern usw.).
Zur Erläuterung: Eine (pharmazeutische) „Kreuzreaktionen“, hier beim Zusammenfügen von unterschiedlichen Tabletten in einen Beutel, würde ja bedeuten, dass zwischen zwei Fertigarzneimitteln eine chemische Reaktion stattfindet, die die inhärente Wirksamkeit eines Medikaments beeinflusst. Allein aus Haftungsgründen darf keine Pharmafirma sich dies erlauben: diese „Kreuzreaktion“ würde folglich wohl auch auftreten, wenn die gleichen Tabletten in der Dosette oder im 7-Tage-vorgestellten Einnahmebecher in Heim verpackt werden !?!
Im Unterschied dazu sind die (pharmakologischen) Kreuzreaktionen der enthaltenen Wirkstoffe untereinander nach der Einnahme derselben Tabletten eine bekannte Tatsache, die jedoch von der Art der Verpackung vor der Einnahme absolut unabhängig ist, ja unabhängig davon sein muss.
Hier werden Äpfeln mit Birnen verwechselt: Die Aussage zur (pharmazeutischen) Kreuzreaktion stammt ursprünglich aus dem Munde einer Justitiarin (also nicht von einem Apotheker!). Leider wird diese Aussage bis heute immer wieder falsch zitiert, aber bisher nicht belegt.
Oder hätten Sie, geneigter Leser, mir ein Beispiel?